MYANMAR NACH DEN WAHLEN

Ein langer Atem ist nötig

Mit einem Erdrutschsieg gelang es der oppositionellen National League for Democracy (NLD) um die Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi bei den Parlamentswahlen im November 2015, die regierende – und vom Militär unterstütze – Union Solidarity and Development Party (USDP) mit lediglich 4,9 Prozent auf die Plätze zu verweisen. Auch in fast allen Regionalparlamenten setzte sich die NLD durch und wird somit den Präsidenten als auch die Regierung stellen. Die alten Eliten werden allerdings durch eine verfassungsgemäße Zuteilung von 25 Prozent der Sitze für Angehörige des Militärs und die Kontrolle der Sicherheitsressourcen die nötige Kontinuität wahren.

Bemerkenswerte Wahlen

Bemerkenswert ist das Ergebnis der Wahlen in zweierlei Hinsicht. Erstens wird – das erste Mal seit 1962 – eine weitgehend zivile und durch die Bevölkerung legitimierte Regierung die Geschicke des Landes lenken. Zweitens zeigt die problemlose Durchführung und Anerkennung der Ergebnisse den tatsächlichen Reformwillen sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen. Doch obwohl die Wahlen das Ende der autoritären Herrschaft in Myanmar markieren, werden sich die meisten Probleme des Landes nur langfristig lösen lassen und politische Entscheidungen nicht zu einer sofortigen Umsetzung führen.

Hohe Erwartungen

Vor allem gegenüber den eigenen Wählern wird es der NLD kaum möglich sein die hohen Erwartungen zu erfüllen. Die Bevölkerung pocht auf schnelle Veränderung hinsichtlich der Probleme die das Land entzweiten und um Generationen zurückwarfen. Dazu zählen hauptsächlich die Bekämpfung des Nepotismus und die Herstellung größtmöglicher Chancengleichheit, die sich schnellstmöglich in wirtschaftlichen Erfolgen manifestieren sollte.
Ausschlaggebend ist eine nationale Versöhnung auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen muss eine Aussöhnung zwischen Bevölkerung und Militär angestoßen werden, die Aung San Suu Kyi als Tochter des ehemaligem Generals und Unabhängigkeitshelden, Aung San, recht gut gelingen dürfte. Weniger Optimismus muss bei dem Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Ethnien und Religionen befürchtet werden. Hier wird sich die Handlungsweise der neuen und alten Regierung kaum unterscheiden. Was vor allem an der weiterhin starken Stellung des Militärs liegen dürfte aber auch daran, dass selbst Aung San Suu Kyi kein Interesse an einer Beschneidung der Privilegien der ethnischen Burmesen hat.

Wie bereits der laufende Friedensprozess zeigt, ist das zentral regierte Myanmar nur zu wenigen Zugeständnissen an ethnische Minderheiten bereit. Und auch von Seiten der ethnischen Minderheiten muss nicht unbedingt von einem Interesse an Entspannung ausgegangen werden. Grundsätzlich müsste die Entwicklung hin zu einer mehr föderalen Struktur und Dezentralisierung angestoßen werden, die das Militär nur bis zu einem gewissen Punkt mitträgt, während sie den ethnischen Minderheiten nicht weit genug zu gehen scheint. Noch negativer sind die Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen zu bewerten. Der Konflikt schwelt seit Jahrzehnten rund um den Vorwurf der illegalen Einwanderungsbewegungen aus Bangladesch und ist tief in der Gesellschaft verankert, so dass selbst Aung San Suu Kyi zu diesem Thema keine Stellung nimmt.

Direktinvestitionen im Fokus

Neben den allgemeinen gesellschaftlichen Erwartungen die auf der neuen Regierung lasten, werden die neuen Staatslenker vor allem an einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung und damit einer weiteren wirtschaftlichen Öffnung gemessen. Bereits unter dem abgelösten Präsident Thein Sein wurden weitgehende Reformen in die Wege geleitet, die Myanmar ins Zentrum des weltweiten Interesses für Investoren rückte. Etliche Pläne wurden seither umgesetzt und Investitionsvorhaben bestätigt. Vor allem bei Öl und Gas, Telekommunikation, Tourismus, Leichtindustrie und Infrastruktur sind gute Ansätze erkennbar, die von der NLD weiter fokussiert werden müssen. Große Anstrengungen sind bei der Verbesserung nationaler Verkehrswege und der generellen Stromversorgung notwendig.

Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die neue Regierung die wirtschaftlichen Akzente ihrer Vorgänger weiterführt. Trotz der aktuellen Überarbeitung des Investitionsgesetztes wird es aber noch einige Zeit dauern, bis ein Investitionsklima geschaffen werden kann, dass sowohl das dringende Interesse ausländischer Geldgeber befriedigt, als auch die Bedenken der nationalen Wirtschaft nicht außer acht lässt. Gerade im Hinblick auf die entstehende ASEAN Economic Community (AEC) zu der Myanmar Ende 2015 gestoßen ist, wird sich die NLD Politik zu einer Gratwanderung entschließen müssen. Zum einen zur weiteren Anziehung ausländischer Direktinvestitionen, zum anderen dem Schutz der lokalen Wirtschaft und Bevölkerung.

Nachhaltigkeit in der Entwicklung sollte vor allem durch eine Reform der Bildung, vor allem der Berufsbildung erreicht werden. Zwar ist eine niedrige Lohnstruktur ein starkes Argument für ausländische Investoren, allerdings kann Myanmar mit den richtigen Strategien in der Berufsbildung und in Kooperationen mit Unternehmen zukünftige Weichen stellen und bereits jetzt die Gefahr der „Middle Income Trap“ minimieren.

Globale Kooperation

Um das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung zu erreichen und möglichst eine große Anzahl globaler Unternehmen in den Wachstumsprozess einzubinden, sind unterschiedliche Kooperationen notwendig. Verfolgte die ehemalige Militärdiktatur bis 2010 noch eine abschottende Wirtschaftspolitik gegenüber dem Westen mit deutlicher Anlehnung an China und andere asiatische Nachbarn, hat sich dieser Prozess bereits unter der Thein Sein-Regierung geändert. Mit der Lockerung der Sanktionen entstand eine „non-aligned“-Policy, die sich vor allem in der Verbesserung der Beziehungen zu den zwei größten Nachbarn China und Indien sowie zu den USA, der EU, Japan und Korea ausdrückte. Gleichzeitig begann sich Myanmar aktiv an den Prozessen der ASEAN zu beteiligen, was in der Übernahme der Präsidentschaft des Verbandes 2014 gipfelte. Auch unter der NLD werden sich diese Prioritäten nicht ändern, so dass weder von einem Vorteil noch von einem Nachteil ausgegangen werden kann. Aung San Suu Kyi wird sich sicherlich aufgrund Ihrer Verbindungen nach Großbritannien mehr zum Westen hingezogen fühlen, eine Minimierung der Rolle Chinas ist aber wohl ausgeschlossen.

Grundsätzlich kann über die Rolle und das Regierungsprogramm der NLD bis jetzt nur spekuliert werden. Sicher ist, dass Aung San Suu Kyi – durch die Verfassung ist sie von der Übernahme des Präsidentenamtes ausgeschlossen – sich nach eigener Aussage über den Präsidenten stellt und als direkte Verantwortliche aller Entscheidungen gelten darf. Wie sich das auf die politische Willensbildung und den demokratischen Entscheidungsprozess auswirkt muss abgewartet werden. Als problematisch könnte sich auch die fehlende Erfahrung in der Regierungsführung der meisten NLD Repräsentanten erweisen sowie die bestehende Inkompetenz in den staatlichen Institutionen. Einer jahrelangen Vernachlässigung in den staatlichen Organen wird erst jüngst entgegengewirkt, so dass für eine sinnvolle Umsetzung politischer Reformen weder das technische Verständnis noch das Equipment existieren dürfte. Ohne internationales Engagement ist daher zu befürchten, dass sich die Regierung wachsenden Forderungen gegenüber sieht und diesen – selbst bei anderer Absicht – nicht adäquat begegnen kann. Ein verstärktes Engagement internationaler Unternehmen und Institutionen kann daher einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Landes liefern und sollte langfristig angesetzt werden.

Lukas

Der Autor, Lukas Brandau, ist Sanet-Partner und Geschäftsführer von econAN international GmbH mit Büros in Düsseldorf und Yangon/Myanmar. Seit 2011 unterstützt econAN internationale Unternehmen mit praxisbezogenen Dienstleistungen beim Markteintritt in Myanmar, übernimmt Vertriebspartnerschaften für Mittelständische Unternehmen und führt individuelle Markterkundungsreisen durch.