Denkzettel: So viele „Likes“ – Ich bin beleidigt!

von Gunter Denk

In diesen Tagen habe ich über Newsletter und diverse soziale Netzwerke darüber informiert, dass ich meine Geschäfte bei Sanet an einen veritablen Nachfolger übergeben habe

Die Resonanz war mehr als verletzend: Hunderte von „Likes“ lassen keinen anderen Schluss zu, als dass alle darauf gewartet haben, dass ich endlich aufhöre. Es tut weh.

Und dann noch die Anrufe! Nicht nur, dass keiner der Anrufer versuchte, mich umzustimmen. Vielmehr gab es nur (ganz offenkundig scheinheilige) Glückwünsche. Einige Anrufer verstiegen sich sogar mit lauerndem Unterton zu der Frage, warum denn keines meiner Kinder die Nachfolge übernehmen wollte.

Wollten Sie herausfinden, ob ich vielleicht auch da versagt hätte? Taugte ich etwa auch als Vater nicht zum Vorbild? Führt mein ältester Sohn nur deshalb eine stattliche IT-Firma, weil er sich schon in Kindesjahren in ein abgeschlossenes Computerzimmer zurückzog, um nicht ständig seinem Vater zu begegnen? Jagt meine Tochter als angehende Kripo-Beamtin nur deshalb Räuber und Mörder, weil Sie die kriminellen Veranlagungen Ihres Vaters kompensieren möchte? Und studiert mein jüngster Sohn nur deshalb IT-Wissenschaften, weil sein älterer Bruder eher zum Nacheifern taugt als ich?

Die Zweifel werden mehr und mehr. Denn überhaupt scheine ich rückblickend auf der Schattenseite des Lebens geboren zu sein.

Ein ähnlich traumatisches Ereignis musste ich nämlich schon als junger Student erfahren: Nur Tage nachdem ich mit Stolz Stipendiat des „Instituts für Hochbegabtenförderung“ der Konrad-Adenauer-Stiftung geworden war, geschah das Unglaubliche: Die Stiftung wurde umbenannt. Sie hieß von nun an nur noch „Institut für Begabtenförderung“. Bis heute lässt mich die Frage nicht los, ob die Herabstufung zur bloßen „Begabtenförderung“ vielleicht etwas mit meiner Person zu tun hatte. War der Begriff der „Hochbegabung“ einfach nicht in Einklang zu bringen mit mir als Stipendiat?

Und dann das mit der Wehrpflicht! Nachdem ich es in diesem System immerhin zum Reserveoffizier geschafft hatte, wurde sie gleich ganz abgeschafft. Wollte die Militärführung schlicht nicht mehr riskieren, dass Leute wie ich in Krisenzeiten richtige Soldaten führen dürften?

Selbst die CDU, die ich in Hessen seit den 60er Jahren in allerlei Funktionen auszubauen half, vergaß nicht nur einen Glückwunsch zu meinen 50 Jahren Mitgliedschaft. Im Gegenteil, gerade ist eine gewisse Frau Merkel mit aller Kraft dabei, sie ganz abzuschaffen. Liegt es daran, dass sie Leute wie mich anders bislang nicht loswerden konnte?

„Alt werden ist nichts für Feiglinge“, hörte ich kürzlich von einer klugen Frau im Radio, deren Namen ich leider vergessen habe (sic!). Gegner wagen sich aus der Deckung, und nichts erscheint so alt wie die früheren Erfolge. Der „Business-Dino“ wird belächelt wie einst der Hauptfeldwebel, der früher den Kindern stets über seine Heldentaten im Russlandfeldzug erzählte.

Aber es gibt auch erfreuliches beim Älterwerden. Wacht man morgens auf, die metallenen Kniegelenke knirschen vom Rost und das Herz hält sich nicht an den vorgeschriebenen Rhythmus, dann weiß man wenigstens: Man ist nicht tot!

Es ist zudem auch schön, sich ersetzbar zu wissen. Liegt doch jeder Friedhof voll von Leuten, dies sich selbst für unersetzlich hielten!

Und vielleicht bleibt auch etwas Zeit und Gelegenheit, das Leben eine Weile noch als wirklichen „Urlaub von der Ewigkeit“ schätzen zu lernen. Dann kriegt es von mir auch weiterhin ein „Like“.

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