Thailand – Das neue Hongkong Südostasiens?

Nachdem Thailand bereits die allgemeine Körperschaftssteuer auf 20 % gesenkt hat, gilt seit Januar 2015 auch ein neues Regelwerk für die Fördermaßnahmen des Board of Investment (BOI). Es ist gewohnt verbindlich und umfassend. Da es mehr ins Detail geht als seine Vorgängerversion, lohnt eine genauere Analyse. Zudem bietet das Land neue steuerliche Anreize als Plattform für Handelsunternehmen.

Von Gunter Denk

Das thailändische Board of Investment (BOI) und seine Förderrichtlinien sind innerhalb Südostasiens seit vielen Jahren als mustergültig bekannt. Ganz sicher haben die klaren Regelungen zur wirtschaftlichen Blüte Thailand in den letzten Jahrzehnten maßgeblich beigetragen. Im Januar 2015 trat nun die „Seven-Year Investment Promotion Strategy 2015-2021“ in Kraft. Und wieder überzeugt das BOI. Denn ebenso wie deutsche Gesetze für ihre Detailregelungen und ihr Streben nach absoluter Gerechtigkeit bekannt sind, ist diese neue Strategie durchdacht und bietet ausländischen Investoren konkrete Gegenleistungen für ihr Engagement im Königreich. Dennoch müssen sich Unternehmer auf Schwierigkeiten der Behörden bei der Anwendung der neuen Regeln einrichten. Zumindest zu Anfang.

Waren in der Vergangenheit die steuerlichen und sonstigen Anreize relativ überschaubar, sind diese nach dem neuen System wesentlich differenzierter abgestuft und orientieren sich zunächst ausschließlich an dem Nutzen, den der Investor dem Land bringt. Dazu werden die geplanten Aktivitäten sehr genau eingestuft.

Im Hinblick auf steuerliche Anreize bietet Thailand seinen Investoren jedenfalls nach wie vor bis zu acht Jahren Befreiung von der Körperschaftsteuer (CIT) und Importzöllen auf Maschinen und Materialien. Für jede förderwürdige„Aktivität“ wird überdies individuell festgelegt, ob das durchführende Unternehmen beide der oben genannten Vergünstigungen oder nur eine von ihnen erhält, ob diese für acht, fünf oder drei Jahre gelten, und ob die Steuerersparnis auf die Gesamtsumme der Investitionsausgaben durch ein „CAP“ begrenzt wird.

Insgesamt werden alle Aktivitäten so am Ende in sechs Gruppen (A1-A4 und B1/B2) mit unterschiedlichen Kombinationen aus Steuer- und Zollbefreiung eingeteilt. Investoren, deren Aktivitäten als von geringer technische Höhe in die Gruppen B1/2 eingeordnet werden, erhalten zwar keine steuerlichen Anreize mehr. Es gilt aber immerhin noch die Befreiung von Einfuhrzöllen für Rohmaterialien oder eventuell auch für Maschinen. Gleich welcher Art das Projekt ist, kommen alle Investoren in den Genuss einer erleichterten Visumserteilung und Arbeitserlaubnis für Ausländer. Besonders für die begehrten „Work Permits“ kann eine Befreiung von den strengen Auflagen erteilt werden, für jeden Ausländer 2 Mio. Baht (umgerechnet 56.000 Euro) an Haftkapital und vier thailändische Mitarbeiter nachzuweisen. Vorsicht aber: Das komplizierte Antragsverfahren bei den Arbeits- und Ausländerbehörden entfällt nicht.

Gunter Denk (Bangkok) ist Gründer und Präsident der Sanet ASEAN ADVISORS, eines Beratungsunternehmens mit sechs Schwesterfirmen und Liaison Büros in Südostasien. Der gelernte Jurist begleitet mit seinen Teams westliche Unternehmen bei der Strukturierung und praktischen Umsetzung von Investitionen in den ASEAN-Staaten. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Publikationen zum Thema.

Kontakt: gunter.denk@sanet.co.th

Die Branche ist wichtiger als der Ort der Investition

Waren früher regionale Gesichtspunkte und die Wertschätzung der Investitionen etwa gleichgewichtig für die Höhe der Förderung, bringt die Qualität der Investition oder des Projekts nach den neuen Regeln eindeutig mehr Gewicht in die Waagschale, als der Ort der „Aktivität“ im Land.

Maßgeblich für das „Ob“ und die Höhe der Förderung ist in allererster Linie, inwieweit das Projekt die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärkt und mittlere Einkommen bei den Beschäftigten der Industrie fördert. Deshalb wurden auch Industrien ohne Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und ohne vernünftige Einkommenschancen aus der Förderung herausgenommen. Auf „Schraubenzieher-Fabriken“ ist das Land eben nicht mehr scharf.

Sieben Sektoren profitieren in Zukunft von Thailands Investitionsförderung:

  1. Landwirtschaft und landwirtschaftliche Produkte
  2. Mineralien, Keramik und Rohstoffe und Metalle
  3. Leichtindustrie
  4. Metallverarbeitung, Maschinen und Transportausrüstung
  5. Elektronik und Elektrogeräte
  6. Chemie, Papier und Kunststoffe
  7. Dienstleistungen und öffentliche Einrichtungen

Innerhalb dieser Bereiche wird in rund 250 Unteraktivitäten fein unterschieden, welcher der sechs Fördergruppen die Investition zuzuordnen ist. Die in einem Katalog sehr klar definierte Eingruppierung von A1 bis B2 hängt konsequenterweise davon ab, inwieweit die Förderziele der Investitionsförderung erreicht werden. Dabei entscheiden zum Beispiel Innovationskraft, Aufwand für Forschung und Entwicklung, landwirtschaftliche Wertschöpfung, die Bedeutung für den Mittelstand und für das Wachstum des Dienstleistungs- und industriellen Sektors über die jeweils der Aktivität zugeordnete Förderung. Umweltfreundliche Aktivitäten finden ebenso besondere Berücksichtigung wie die Verwendung alternativer Energien oder die Bildung von Clustern zur Erhöhung regionaler Wertschöpfungsketten.

Jeder, der irgendwann einmal mit Fördermaßnahmen des BOI befasst war, kennt sie: die berühmten „BOI-Zonen 1-3“. Jede der 77 Provinzen war einer der drei Zonen zugeordnet, und dies entschied über die möglichen Steuernachlässe. Oft hing es nur von wenigen Kilometern nach Ost oder West ab, ob die eigene Fabrik in den Genuss der Steuerbefreiung kam oder eben nicht. In Industrieparks gingen die Grenzen teilweise mitten durch die Anlage hindurch und die Betreiber kämpften um Ausnahmen für ihre „benachteiligten“ Grundstücksflächen.

Metallverarbeitung ist einer der sieben Sektoren, die weiterhin von der thailändischen Investitions-förderung profitieren.

Zusätzliche Halbierung der Körperschaftssteuer für weitere fünf Jahre

Dieses System gehört nun der Vergangenheit an. Lediglich in den 20 Provinzen mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen gibt es zusätzliche Anreize, aber auch dort nur dann, wenn zunächst die grundsätzliche Eingruppierung in eine förderwürdige Aktivität gelingt. Zu diesen gehören zumeist Grenzgebiete zu Laos und Kambodscha, oder auch die Bergregion im Grenzgebiet zu Myanmar.

Als Anreiz, sich dort anzusiedeln, erhalten Investoren nach Ablauf der acht steuerfreien Jahre zusätzlich eine Halbierung der Körperschaftsteuer für weitere fünf Jahre. Gehören sie nicht in die höchsten Gruppen, gibt es immerhin drei Jahre Steuerbefreiung und zusätzlich die Möglichkeit, über zehn Jahre Strom, Wasser und Transportkosten in doppelter Höhe der tatsächlichen Ausgaben abzuschreiben.

Der Investor, der es in eine der sechs Fördergruppen geschafft hat, kann zusätzliche Vorteile erwerben, wenn er Ausgaben tätigt, die dem Land und seiner Industrie in besonderer Weise dienen. Neben der bereits erwähnten Standortwahl in einer der 20 ärmsten Provinzen gibt es Zusatzvorteile für diejenigen, die zum Beispiel

  • hohen finanziellen Aufwand für Forschung und Entwicklung, für Spenden an Lehrinstitute oder für den Erwerb von Patenten oder
  • hohen finanziellen Aufwand für technische Ausbildung oder technologische Förderung von (lokalen) Lieferanten betreiben
  • besondere Ausgaben für Produktdesign und Verpackung tätigen oder
  • sich in anerkannten Industrieparks ansiedeln.

Erreichen diese Ausgaben eine genau festgelegte Höhe oder einen Prozentsatz am Umsatz, kann mit einer Verlängerung der Steuerbefreiung oder zumindest einer Erhöhung des „CAPS“, also der Höchstsumme der Steuerersparnis, gerechnet werden.

Ziel: alternative zu Handelsplatz Hong Kong

Zudem gilt eine interessante Förderung im Rahmen des Dienstleistungsbereichs. Mit der geförderten Aktivität des International Trade Center (ITC) möchte Thailand sich als ASEAN-Alternative zum Handelsplatz Hong Kong profilieren. Wer also zum Beispiel in Bangkok ein Handelsunternehmen gründet, über das Streckengeschäfte außerhalb Thailands, oder generell die Geschäfte verbundener Unternehmen abgewickelt werden, kann sich über eine langjährige Steuerreduzierung auf Handelsgewinne auf 10% freuen. Noch glücklicher macht diese Regelung das Führungspersonal. Denn für dessen Riege reduziert sich der Spitzensteuersatz von 35% und der persönlichen Einkommenssteuersatz auf gerade einmal 15%.

Wie diese neue Struktur in der Praxis und insbesondere vom „Revenue Department“ gehandhabt wird, muss sich allerdings – wie vieles im neuen System – noch herausstellen. Unter dem Strich ist die gute Nachricht für Investoren, dass auch das neue Fördersystem kaum Spielraum für behördliche Willkür oder gar Korruption lässt. Das Regelwerk ist schlüssig, rechtlich bindend und nachvollziehbar. Der Umfang der Förderung ist weiter ungemein reizvoll für Investoren. Leider ist es aber auch wesentlich komplizierter und für den braven Kaufmann und Investor nur noch mit wirklich kundiger Beratung voll nutzbar. Darüber wiederum freuen sich qualifizierte Beratungsbüros vor Ort.