Thailand und Vietnam laufen China bei Investoren den Rang ab
Internationale Mittelständler orientieren sich bei ihren Investitionen zunehmend in Richtung der ASEAN Staaten. Die Risiken Chinas für das geistige Eigentum einerseits, und die attraktiven steuerlichen Anreize in Südostasien haben sich mittlerweile herumgesprochen. Hinzu kommt, dass durch das Freihandelsabkommen ACFTA Produzenten aus Thailand, Vietnam oder Indonesien den chinesischen Markt zollfrei und mit kurzen Transportwegen bedienen können.
Wie aber sieht es bei einem Vergleich mit gut ausgebildeten und bezahlbaren Arbeitskräften aus? „Billig“ ist nicht alles. Die Verfügbarkeit, Qualifikation und Arbeitskultur müssen sich an den bekannt fleißigen Chinesen messen lassen.
Chinas Arbeitsmarkt gilt allerdings mittlerweile besonders in den industriellen „Speckgürtel“ von Shanghai bis Shenzen als teuer. Vietnams Arbeiter sind für niedrige Löhne und gute Arbeitsqualität bekannt. Aber gibt es genug ausgebildete Kräfte für technisch hochwertig ausgestattete Fabriken? Von Thailand weiß man das, ist es doch die Heimat einer hoch entwickelten Automobil- und Elektronikindustrie. Aber „saugen“ die großen Automobilhersteller und ihre Zulieferer nicht den Arbeitsmarkt leer und treiben die Preise?
Wir wollen im Folgenden die kritischen Kriterien der Arbeitsmärkte diese drei typischen Investitionsländer gegenüberstellen.
„Soft Facts“ und Besonderheiten der Arbeitskultur
China ist bekannt für seine hohe Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern. Persönliche, besonders vertikale Beziehungen sind bedeutende Elemente der chinesischen Kultur. Die Loyalität zum Unternehmen ist daher geringer als zum Beispiel die Loyalität zu einzelnen Personen, zum Beispiel dem direkten Vorgesetzten. Verlässt eine zentrale Bezugsperson das Unternehmen, folgen ihr schnell weitere Mitarbeiter.
Gering qualifizierte Mitarbeiter wurden lange Zeit respektlos behandelt. Deshalb verlassen gerade qualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen häufig. Sie sind zudem empfänglich für oft mit Gewalt verbundene Proteste gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Allerdings bildete sich über die Jahre durchaus auch ein Stamm von Mitarbeitern, die mit internationalen Unternehmen und ihren Anforderungen vertraut sind. Aber vorsichtig: gerne erklärt man Westlern unangemessene Erwartungen in Zusatzleistungen oder Arbeitsbedingungen mit dem Hinweis, „dies sei in China generell die Regel“.
Vietnams Mitarbeiter gelten allgemein als fleißig und liefern gute Arbeitsqualität. Aber auch Vietnamesen wechseln häufig und für ein paar „Dong“ im Monat mehr das Unternehmen. Gute Vorsorgeleistungen und ein attraktives Arbeitsumfeld sind wichtigste Magnete für talentierte Bewerber. Besondere Vorsicht gilt gegenüber der Neigung selbst von vietnamesischen Führungskräften, Familienangehörige im Unternehmen unterzubringen. Dabei kommt es dann nicht mehr auf Qualifikation und Eignung an. Duldet man dies, schafft man sich schwache Arbeitsergebnisse und schwer kontrollierbare Nebenstrukturen, und man gefährdet die gesamte Organisation des Unternehmens.
Thailändische Arbeitnehmer wechseln ihren Arbeitsplatz weniger aus kulturellem Hintergrund, sondern aus den Gegebenheiten des Marktes. Im Dezember 2015 standen formell 99,35% der Bevölkerung in Arbeit. Da der Wettbewerb um Arbeitskräfte intensiv ist, werden Mitarbeiter mit Angeboten geradezu bombardiert. Das Prestige des Arbeitgebers, ein fairer Umgang, betriebliche Ausbildung und freiwillige Sozialleistungen zur Ergänzung der sehr geringen gesetzlichen Vorsorge sind wichtige Bindungskriterien.
In Thailand ist die wichtigste Personalentscheidung für den westlichen Geschäftsführer die Auswahl und Einstellung eines exzellenten Personalleiters, besser noch einer Personalleiterin. Der westliche Chef wird respektiert, wird aber wohl nie die Bezugs- und Vertrauensperson für die Mannschaft. Hier darf der Investor nicht am Gehalt sparen. Der „HR Manger“ bestimmt maßgeblich, ob sich die Mitarbeiter fair behandelt führen und loyal sind. Wem dies gelingt, der kann auch in der Produktion die Fluktuationsrate um 10 % halten.
Attraktivität für Expat Manager
Für alle drei Länder gilt es für Neuinvestitionen, dass der „eigene Mann“ aus dem Stammwerk oder zumindest aus dem eigenen kulturellen Umfeld als Unternehmensleiter gefunden werden sollte. Erst dann nach einigen Jahren kann man es mit lokalem Management versuchen. Dies bleibt zwar ein Risiko, aber mit einem bereits über einige Jahre im Unternehmen bekannten Mitarbeiter, kann eine Beförderung zum Leiter des Unternehmens funktionieren.
Westliche Führungskräfte, also der „eigene Mann“, lassen sich für China gegen deutlich höhere Bezahlung als in Europa finden. Lebensbedingungen und gesellschaftliches Umfeld werden von Ausländern zumeist als unvorteilhaft empfunden. Unabhängig von dem mit ihnen verbundenen Risiko ist es auch schwer, chinesische Manager zu finden. Ein eher politisch als fachlich orientiertes Ausbildungssystem an den Universitäten und ein kaum ausgeprägtes Verständnis für westliche Führungskultur sind meist die Ausschlusskriterien. Hoch qualifizierte chinesische Manager suchen zudem häufig eher Anstellungen in Hongkong oder sogar Singapur. Wichtig ist eine sorgfältige Überprüfung der Berufsabschlüsse und Lebensläufe. Jeder fünfte Bewerber macht sich hier mit falschen Dokumenten attraktiv.
In Thailand sind westliche Führungskräfte vergleichsweise leicht und auch mit günstigeren lokalen Arbeitsverträgen zu finden. Ein Grund dafür ist, dass die zahlreichen westlichen Unternehmen ihre Führungskräfte regelmäßig nach einigen Jahren zu einem neuen Einsatzort wieder abziehen. Viele von ihnen haben Thailand aber inzwischen für sich und ihre Familien als so angenehmes Gastland entdeckt, dass sie lieber die neue Position im deutschen Unternehmen ablehnen und eine alternative Anstellung in Thailand suchen. Thailändisches Führungspersonal kann man dann einsetzen, wenn die Manager in Europa oder den USA studiert und nach Möglichkeit Sprache und Kultur verstanden und adaptiert haben. Besonders die zahlreich in Deutschland ausgebildete Ingenieure können in Thailand fast bedenkenlos in Führungsteams integriert werden.
In Vietnam bedarf es für westliche Führungskräfte ein ordentliches Maß an Pioniergeist, um sich mit den gegenüber China oder Thailand noch deutlich rückständigen Lebensbedingungen zu arrangieren. Dennoch kann die Aufgabe besonders für Führungskräfte aus der zweiten Ebene im Stammhaus reizvoll sein. Sie können sich hier in einer echten Führungsfunktion bewähren. Vietnamesisches Management ist schwer zu finden. Eine Ausnahme stellen die über 160.000 zur Zeit des Vietnamkriegs in der DDR ausgebildeten Vietnamesen dar, die mit europäischer Kultur vertraut sind sich und zumeist ihr Affinität zu Deutschland und Europa bewahrt haben.
Mittelmanagement und Fachkräfte
Der chinesische Arbeitsmarkt entwickelt sich von einem „massenhaften“ Angebot an ungelernten Hilfskräften zu einem Markt für einen immer besser ausgebildeten Mitarbeiter. In Verbindung mit der alternden und daher schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sind Fachkräfte nicht nur teuer, sondern auch schwierig zu halten. So muss man immer damit rechnen, dass Mitarbeiter teure betriebliche oder externe Ausbildung mitnehmen und sich dann mit der neuen Qualifikation auf die Suche nach einem besser bezahlten Job suchen. Ein Unrechtsbewusstsein gibt es dabei nicht. Nicht selten bedankt sich der nun gut ausgebildete Mitarbeiter bei seinem Abschied sehr aufrichtig für Ausbildung, mit der ihm der enttäuschte Chef tolle Chancen im neuen Unternehmen eröffnet habe.
Diese Vorsicht gilt allerdings in etwas abgeschwächter Form auch für Thailand und Vietnam. Allerdings gibt es in Thailand eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher oder technischer Akademiker, die zumindest ein paar Semester Australien oder UK studiert haben und damit als gut qualifizierte Berufseinsteiger zur Verfügung stehen. Aber Vorsicht, nicht wenige Thai kommen nach vier oder fünf Semestern ohne erkennbare Ergebnisse zurück. Sie verbachten ihre Zeit in Gemeinschaftsunterkünften mit Landsleuten und heimischem Essen und erfreuten lediglich ihre stolzen Eltern mit der offiziellen Bestätigung der Auslandssemester.
Ansonsten gibt es zahlreiche technische Universitäten, das Thai-German Institut für die Ausbildung in technischen Handwerksberufen und zudem von Deutschland betreute Projekte dualer Berufsausbildung. Unter dem Strich besteht deshalb ein gutes Angebot an vernünftig vorgebildeten Fachkräften, die dann schnell betrieblich weitergebildet und als loyale Mitarbeiter gewonnen werden können.
Auch in Vietnam gibt es eine deutsch-vietnamesische Universität, allerdings haben junge Vietnamesen bislang kaum Gelegenheit, sich durch Auslandssemester auf die Einstellung in den noch vergleichsweise wenigen internationalen Firmen vorzubereiten. Deshalb sind gut qualifiziere Fachkräfte auch nicht leicht zu finden und insgesamt teurer als in Thailand.
Lohn-, Gehalts- und gesetzliche Lohnnebenkosten
Grundsätzlich gilt, dass die Bruttolohnkosten über alle Berufsgruppen in den chinesischen Industriezentren deutlich teurer sind als in den bevorzugten Investitionsländern Südostasiens. Auch deshalb gibt es mittlerweile eine große Zahl chinesischer Firmen, die in Thailand oder Vietnam investieren.
Ein Vergleich zwischen Thailand und Vietnam kann verkürzt so zusammengefasst werden, dass einfache Arbeitskräfte in Vietnam leichter und billiger zu haben sind als in Thailand, sich dieses Verhältnis jedoch mit wachsender Qualifikation der Fachkräfte angleicht oder sogar umkehrt.
Die nachfolgende Tabelle stellt die Lohnkosten inklusive gesetzlicher Nebenkosten in USD dar. Die Zahl wurde aus abgefragten Praxiswerten von 12 Recruiting-Firmen und den Angaben staatlicher Statistiken ermittelt. In China beziehen sich die Werte auf den Raum Shanghai.
Position/Brutto/Monatsgehalt | China USD | Thailand USD | Vietnam USD |
Expat manager (MD) | 13,000 | 9,000 | 8,500 |
Personalleitung (HR) | 5,400 | 2,400 | 2,300 |
Factory manager | 6,750 | 2,800 | 3,100 |
Strategischer Einkauf | 5,200 | 2,200 | 3,000 |
Qualitätsmanager | 4,400 | 1,900 | 2,700 |
Ingenieur | 4,000 | 1,700 | 2,600 |
Techniker | 2,300 | 410 | 780 |
Buchhalter | 2,100 | 930 | 890 |
Produktionsmitarbeiter | 650 | 350 | 270 |
Quelle: SANET ASEANS ADVISORS, 2016
In der folgenden Tabelle ist zu berücksichtigen, dass in China ein Teil der Nebenkosten nicht zentral geregelt sind:
China | Thailand | Vietnam | |
Sozialversicherung | Arbeitgeber: 39,2 % Mitarbeiter: 17,5 % |
Arbeitgeber: 5 %* Mitarbeiter: 5 %* *Bemessungsgrenze ca. 420 USD/Monat |
Arbeitgeber: 22 % Mitarbeiter: 10,5 % |
Minimum Feiertage | 11 Tage | 13 Tage | 8 Tage |
Jahresurlaub | 5-18 Tage | 6 Tage | 12-16 Tage |
Lohnfortzahlung | 3-12 Monate | 30 Tage | 30-60 Tage* |
Quelle: SANET ASEAN ADVISRS, 2016
Flexibilität des Arbeitsmarktes
Neben den Lohn- und Lohnnebenkosten ist die Flexibilität des Arbeitsmarkts ein wichtiges Beurteilungskriterium für den Arbeitsmarkt. Im Mittelpunkt steht dabei die Möglichkeit, sich von Mitarbeiter unter bestimmten Bedingungen zu trennen, oder sie nur auf Zeit zu beschäftigen. In allen Ländern sind zeitlich begrenzte Anstellungen mit strengen Auflagen versehen und nicht verlängerbar.
In China können Mitarbeiter wegen Verstößen gegen konkret vereinbarte arbeitsvertragliche Pflichten entlassen werden. Es empfiehlt sich daher, diese Pflichten im Arbeitsvertag in einem langen und detaillierten Katalog festzuschreiben. Sind zum Beispiel Arbeitszeiten nicht wirksam vereinbart, sind auch stetige Verspätungen kein Kündigungsgrund. Mangelhafte Leistung ist nur während der drei Monate Probezeit ein Kündigungsgrund.
Ist die Kündigung fehlerhaft, wird es teuer: Schon nach einem halben Jahr ist ein ist ein halbes Monatsgehalt fällig, danach für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit ein Monatsgehalt. Klagt der Mitarbeiter auf Widereinstellung kann er bei einer nicht gerechtfertigten Kündigung die doppelte Abfindung verlangen.
In Thailand kann der Arbeitgeber grundsätzlich nur aus wenigen, genau definierten Gründen ohne Abfindung kündigen. Einzuhalten ist aber stets, auch in der einer vereinbarten Probezeit, die 4-wöchige Kündigungsfrist. Zahlt der Arbeitgeber die Abfindung, müssen keine Kündigungsgründe angegeben werden. Die Abfindung beträgt schon nach 120 Tagen ein Monatsgehallt, nach einem Jahr schon drei Monatsgehälter, nach mehr als drei Jahren 6 Monatsgehälter. Die Höchstgrenze sind 10 Monatsgehälter. In der Praxis ist allerdings zu beobachten, dass thailändische Mitarbeiter das Unternehmen – und dann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist – verlassen, wenn sie sich und ihre Arbeit vom Chef oder Vorgesetzten nicht mehr geschätzt sehen. Ein gezieltes Hinarbeiten auf eine Kündigung durch den Arbeitgeber und eine Abfindung ist am ehesten bei Management-Positionen zu finden.
Im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber haben Mitarbeiter in Vietnam, die länger als 12 Monate im Unternehmen gearbeitet haben, Anspruch auf eine Abfindung von einem halben Monatsgehalt für jedes Dienstjahr. Zur Berechnung wird das durchschnittliche Monatsgehalt des Mitarbeiters während der letzten 6 Monate, inklusive aller Prämien und Sonderzulagen herangezogen.
Falls dem Mitarbeiter betriebsbeding gekündigt wurde, werden ein volles Monatsgehalt pro Dienstjahr, mindestens aber zwei Monatsgehälter fällig. Die Zahlung der Abfindung muss vom Arbeitgeber innerhalb von 7 Tagen nach dem Wirksamwerden der Kündigung geleistet werden.
Unter dem Strich ist der Vergleich der Arbeitsmärkte einer der guter Gründe, warum sich immer mehr Investoren für die beiden ASEAN-Staaten Thailand und Vietnam als Investitionsland entscheiden. Die Entscheidung zwischen Vietnam und Thailand ist eher „Geschmackssache“. Wer in erster Linie qualifizierte Fachkräfte sucht, wird sich für Thailand entscheiden. Vietnam bietet sich jedenfalls für Unternehmen an, die eine große Zahl von eher ungelernten Arbeitskräften sucht, ohne dass dadurch technisch anspruchsvolle Unternehmen nicht auch einen Blick auf Vietnam werfen sollten.
Der Autor Dr. Gunter Denk war selbst 25 Jahre verantwortlicher Unternehmer und führte einen deutschen Markenartikler mit mehreren Produktionsstandorten in Europa und Asien. Im Jahr 2000 übernahm er nach einer Fusion Vorstandsverantwortung für ein börsennotiertes Unternehmen in China. 2004 gründete er die SANET ASEAN ADVISORS, eine Gruppe von Industrieberatungen an 5 Standorten Südostasien. Die Gruppe begleitete und begleitet unter seiner Führung zahlreiche Direktinvestitionen und Markteintrittsprojekte in China und Südostasien.