… und denke gar nicht ans Steinewerfen. Ich staune! Was da draußen so abgeht in Sachen Wertewandel, ist schon rasant. Daran hätten die alten Römer kurz vor dem Untergang ihres Weltreichs die hellste Freude gehabt. Ich habe natürlich auch persönliche Gründe, warum es mir nicht danach ist, Steine zu werfen: Wenn man die 60 überschritten hat und einem im Leben nichts Menschliches fremd war, wird mancher Stein zum Bumerang. Also besser nicht ans Werfen denken!
Da gebe ich mich lieber dem Wandel angepasst. Fußballrecken im TV, die sich nach dem Torerfolg innig küssend auf dem Rasen vereinigen, beobachte ich keinesfalls mit der inneren Gefühlslage eines Voyeurs…
Ist doch normal. Man wird nur Weltmeister, wenn das Team harmoniert, auf dem Rasen und auch sonst. Unsere Fußballfrauen beweisen das seit Jahren. Und das ist auch gut so. Alles okay für mich. Allenfalls ein heimlich aufgenommenes Foto des athletischen Russenzars Putin in engstem Körperkontakt mit einem verschleierten Erdogan könnte mich in dieser Welt noch leicht irritieren.
Ich selbst hingegen habe mich schon zu Beginn meiner Pubertät als Hetero geoutet. Ich erkannte früh, dass ich mich im Körper eines Mannes durchaus wohl fühlte. Besonders dann, wenn Mädchen in der Nähe waren. Ich gebe übrigens zu, dass mein Outing als Hetero damals auch noch keinen großen Mut erforderte. Viele waren wie ich veranlagt, und meine Eltern standen zu mir!
Nur in Hinblick auf „Pädophilie“ war ich naiv. Ich dachte immer, das sei irgend etwas in Zusammenhang mit Briefmarken sammeln oder vielleicht auch Fußpflege. Erst jetzt habe ich lernen müssen, dass dies vielmehr und zum Glück der einzige Wertewandel war, bei dem sich die Grünen seinerzeit nicht hatten durchsetzen können.
Und dann noch der wunderbare, speziell deutsche Wandel zum sprachlichen Matriarchat! In Leipzig hat unlängst die Vollversammlung der Universität beschlossen, dass es dort nur noch die Bezeichnung „Professorinnen“ gibt. Die männliche Form „Professor“ wurde der Einfachheit halber abgeschafft. Prächtig, Herr Dekanin! Ich bin auch hier modern und einer Ausweitung dieses Wandels durchaus geneigt: Man sollte das zur Regel machen. In Zukunft empfehle ich, sprachlich nur noch „Tresorknackerinnen“, „Schutzgelderpresserinnen“ und „Analphabetinnen“ zuzulassen. Schluss mit antiquierter Männerdominanz. Ein Hoch auf die Vergewaltigerinnen der deutschen Sprache! Da bin ich konsequent reformorientiert.
So auch beim Erzwingen des Wandels durch Quoten. Quotendruck muss nämlich sein, sonst geht der Wertewandel nicht voran. Der diplomatische Dienst ist da ein Vorbild, auch bei der Berücksichtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Hilfreich in dieser Hinsicht verschickte eine diplomatische Vertretung jüngst die gemeinsame Einladung des Botschafters und seines Lebenspartners aus der Südsee zum Botschaftsempfang. „H.E.Mister Detlef Müller und Mister Lutung Kasarung geben sich die Ehre (Namen nicht etwas aus Diskretionsgründen geändert und der NSA natürlich bekannt). Nur die stockkonservativen Gäste aus dem Entwicklungsland zerreißen sich noch heute das Maul darüber. Ich sehe die gute Absicht dahinter, die Dominanz mehrgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu brechen. Zeit wird’s! Sei Vorbild, starkes Europa.
Sie erkennen also, ich bin offen für alles, trotz meines fortschreitenden Alters. Ich bin sozusagen ein „Grauer Werte-Wandler-Wolf“. Ich begrüße die moderne Zeit. Ich passe mich freudig an. Ich sitze in meinem Glashaus und werfe einfach mit rosa Wattebäuschen!